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Das geplante Gesetz zum Schiedsverfahrensrecht bringt einige punktuelle Verbesserungen

Die Pläne zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts sind mit dem am 9. Oktober 2024 im Bundestag eingebrachten Regierungsentwurf (hier abrufbar) einen Schritt vorangekommen. Der Bundestag wird dazu heute beraten und voraussichtlich das Vorhaben an den Rechtsausschuss überweisen.

Die Pläne haben sich im Vergleich zum Referentenentwurf vom Februar 2024 – siehe unseren Artikel dazu (hier) – nur wenig geändert. Die dort aufgelisteten Themen sind ebenso im Regierungsentwurf angesprochen; dieser enthält dieselben oder ähnliche Änderungsvorschläge. Die meisten dort geäußerten Ideen zur Verbesserung bleiben relevant. Die größte Neuerung im Regierungsentwurf im Vergleich zum Referentenentwurf betrifft die Form von Schiedsvereinbarungen.

Die Bundesregierung hat sich mit dem Gesetz viel vorgenommen: Ziel sei es, das deutsche Schiedsverfahrensrecht „an die Bedürfnisse der heutigen Zeit anzupassen, seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen und die Attraktivität Deutschlands als Schiedsstandort zu stärken.“ Im Folgenden untersuchen wir, ob die geplanten Änderungen diese Ziele erreichen können.

Schiedsvereinbarungen formfrei möglich – aber nicht mit Verbrauchern

Um wirksam zu sein, muss eine Schiedsvereinbarung bislang in einem von den Parteien unterzeichneten Dokument oder einer anderen Form von Nachweis enthalten sein. Der Referentenentwurf wollte diese Vorgabe für beiderseitige Handelsgeschäfte aufheben und sah nur eine Bestätigung in Textform auf Wunsch vor. Der Regierungsentwurf geht noch weiter und plant, die Formvorgaben aufzuheben und Schiedsvereinbarungen insgesamt formfrei zu stellen. Dies ist insofern zu begrüßen, als die bisherigen Pläne neue Probleme aufgeworfen hätten, denn in internationalen Schiedsverfahren wären die Definitionen von „Handelsgeschäft“ und „Textform“ unklar gewesen.  

Die neue Formfreiheit von Schiedsvereinbarungen auch außerhalb von Handelsgeschäften erlaubt den Parteien u.a., sämtliche Arten digitaler Kommunikation zu nutzen. Dies stärkt die Parteiautonomie, und es wird tatsächlich in all jenen Fällen hilfreich sein, in denen die bisherigen Formvorgaben vielleicht nicht perfekt eingehalten wurden, aber der Inhalt der Schiedsvereinbarung feststeht.

Neue Streitigkeiten und Beweisschwierigkeiten sind allerdings vorprogrammiert, falls eine Partei eine mündliche oder konkludent abgeschlossene Schiedsvereinbarung behauptet, die andere Partei aber deren Abschluss oder den Inhalt bestreitet. Derjenige, der sich auf eine solche Schiedsvereinbarung beruft, muss dann neben ihrer Existenz beweisen, auf welchen Schiedsort, wie viele Schiedsrichter, welche Verfahrenssprache, ggf. auch welche Schiedsinstitution etc. man sich geeinigt hat. Dies kann ein Schiedsverfahren erheblich in die Länge ziehen.

Bei einer mündlichen oder konkludenten Schiedsvereinbarung kann zudem der spätere Schiedsspruch international womöglich nur schwer vollstreckt werden. Das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche setzt voraus, dass der Vertrag mit der Schiedsklausel oder die Schiedsabrede „von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder Telegrammen enthalten ist, die sie gewechselt haben“ (E-Mails werden dabei wie Telegramme behandelt). Zwar erlaubt dieses Übereinkommen auch einfachere Regeln („Meistbegünstigungsklausel“); dies hilft aber nur, wenn solche Regeln im Vollstreckungsstaat gelten. 

Daher ist für die Rechtssicherheit und die spätere Vollstreckbarkeit zu empfehlen, die beiderseitigen Erklärungen zur Schiedsvereinbarung weiterhin zumindest in einer Form festzuhalten, die einen dauerhaften Nachweis der Schiedsvereinbarung und ihres Inhalts ermöglicht.

Im Gegensatz zur allgemeinen Formfreiheit von Schiedsvereinbarungen bleibt nach dem Regierungsentwurf für Verbraucher jedoch die bisherige Regelung bestehen. Bei Beteiligung eines Verbrauchers ist eine Schiedsvereinbarung wie bisher nur dann wirksam, wenn sie unter Einhaltung der Schriftform in einer separaten Urkunde abgefasst wird oder wenn sie in einer notariellen Urkunde enthalten ist. Dies führt in der Praxis zu Problemen, wenn bei Verträgen im Wirtschaftsverkehr die Verbrauchereigenschaft nicht erkannt wird. Wo ansonsten Schiedsvereinbarungen komplett formfrei gestellt sind, wird dieses Thema womöglich noch öfter übersehen.

Darüber hinaus könnten angesichts der neuen Formfreiheit womöglich zukünftig Parteien in Gerichtsverfahren eine Schiedseinrede erheben und auf eine angeblich mündlich oder konkludent abgeschlossene Schiedsvereinbarung stützen. Um dies zu vermeiden, kann es ratsam sein, eine ausdrückliche Gerichtsstandsvereinbarung zu schließen und mündliche Nebenabreden im Vertrag auszuschließen.

Gerichtsverfahren in Deutschland zu Schiedssprüchen auf englisch – aber nicht komplett

Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Schiedsverfahren, vor allem zur Aufhebung oder Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen, sollen zukünftig vor den Commercial Courts stattfinden. Diese speziellen Spruchkörper vor den Oberlandesgerichten für internationale Streitigkeiten sind ab April 2025 im Gesetz vorgesehen; Verfahren können dort in bestimmten Fällen in englischer Sprache geführt werden. Damit ist der Gesetzgeber auf den internationalen Wunsch nach Gerichtsverfahren auf Englisch eingegangen. Hilfreich ist auch, dass vor den Commercial Courts ein Wortprotokoll der mündlichen Verhandlung erstellt werden kann statt der in Deutschland sonst üblichen kurzen Zusammenfassung durch das Gericht.

Derzeit bleibt abzuwarten, an welchen Standorten in Deutschland solche Commercial Courts eingerichtet werden. Naheliegend wäre dies bei den Oberlandesgerichten in Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt, München, Stuttgart und dem Kammergericht Berlin. Dabei wäre es hilfreich, wenn mehrere Bundesländer gemeinsame Commercial Courts einrichten würden, so dass diese flächendeckend zuständig wären.

Das Verfahren vor den Commercial Courts kann vor allem dann auf Englisch geführt werden, wenn beide Parteien dies wünschen. Dies spart Zeit und Kosten für Übersetzungen und Dolmetscher. Allerdings wird dieses Prinzip nicht durchgehend eingehalten; schon in der ersten Instanz werden an einigen Stellen Übersetzungen nötig. Die Parteien dürfen in der mündlichen Verhandlung auch auf Deutsch vortragen, wenn die andere Partei nicht widerspricht. Auch bei Beteiligung Dritter können diese der englischen Sprache widersprechen. Schließlich ist die Entscheidung des Commercial Courts zu veröffentlichen, und zwar zusammen mit einer deutschen Übersetzung.

Falls ein Rechtsbeschwerdeverfahren beim Bundesgerichthof (BGH) folgt, ist eine Fortsetzung auf Englisch nicht garantiert. Der Zivilsenat beim BGH muss dem zustimmen und kann dabei „nach seinem richterlichen Ermessen entscheiden, ob er einem entsprechenden Antrag stattgeben möchte oder eine Verfahrensführung in deutscher Sprache bevorzugt“. Im letzteren Fall muss alles ins Deutsche übersetzt werden; die Kostenersparnis entfällt und die internationalen Parten können nur indirekt per Dolmetscher an der mündlichen Verhandlung teilnehmen. Es bleibt zu hoffen, dass die BGH-Senate von ihrem Ermessen überlegt Gebrauch machen.

Weitere sinnvolle Anpassungen geplant – aber nur an Details

Der Gesetzentwurf sieht einige Verbesserungen an Details des Schiedsverfahrens vor, zum Beispiel:

  • Gerichte sollen bei einem Antrag zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens auch über das Bestehen und die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden können. Dies ist eine hilfreiche Klarstellung.
  • Die Bildung eines Schiedsgerichts bei Mehrparteienverfahren soll genauer geregelt werden. Dies entspricht ähnlichen Regelungen in zahlreichen Schiedsgerichtsordnungen und gibt nun auch einen Rahmen für Ad-hoc-Schiedsverfahren.
  • Wenn ein Schiedsgericht sich für unzuständig hält, soll seine Entscheidung künftig vor einem staatlichen Gericht aufhebbar sein. Auch dies beseitigt eine bisherige Lücke.
  • Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes von Schiedsgerichten sollen einfacher vollziehbar werden, auch bei einem Schiedsort im Ausland. Dies erleichtert die Durchsetzung solcher Maßnahmen in Deutschland und fördert die Effektivität von internationalen Schiedsverfahren.
  • Mündliche Verhandlungen vor Schiedsgerichten sollen auch als Videoverhandlungen möglich sein. Dies wird in der Praxis bereits so gehandhabt; der Entwurf schafft hier Klarheit.
  • Wenn ein Schiedsrichter eine abweichende Meinung zum Schiedsspruch hat, soll ein Sondervotum zulässig sein, was bisher nicht ausdrücklich geregelt ist. Diese Klarstellung sichert die Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen.

An zwei weiteren Stellen hat der Gesetzgeber die Pläne im Vergleich zum früheren Entwurf angepasst:

  • Nach wie vor ist auch eine Veröffentlichung von Schiedssprüchen in anonymisierter oder pseudonymisierter Form vorgesehen, sofern die Parteien nicht widersprechen. Immerhin sollen sie dafür jetzt drei Monate (statt einen Monat) Zeit erhalten.
  • Beim geplanten Restitutionsverfahren führt der Gesetzentwurf jetzt explizit die Gründe auf, wann es zulässig sein soll: vor allem in Extremfällen wie Urkundenfälschungen, Falschaussagen oder anderen Straftaten sowie bei späterem Auffinden von relevanten Urkunden. Das Restitutionsverfahren soll auch nur fünf Jahre nach Rechtskraft des Schiedsspruchs zulässig sein. Vor allem diese zeitliche Begrenzung ist zu begrüßen, da sie zu Rechtssicherheit führt.

Noch einige Wünsche offen

Insgesamt sind die Pläne größtenteils hilfreich für das Ziel des Gesetzgebers, den Schiedsstandort Deutschland im internationalen Vergleich moderner, attraktiver und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Sie reichen allerdings dafür nicht aus.

Wenn die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen zwar auf Englisch möglich ist, sich aber immer noch über zwei Instanzen hinziehen kann, ist der Zeit- und Kostenaufwand nach wie vor erheblich. In der Schweiz und in Österreich (deren Schiedsrechtsreformen der Gesetzentwurf erwähnt) ist nur eine Instanz zur Überprüfung von Schiedssprüchen im Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren vorgesehen. Eine Zuständigkeitskonzentration beim BGH wäre hier ebenfalls wünschenswert.

Vor allem aber bräuchte es zur Stärkung des Schiedsstandorts Deutschland eine Überarbeitung des deutschen AGB-Rechts im Business-to-Business-Bereich. Wenn dieses so streng und wenig praxistauglich bleibt, werden die Parteien weiterhin versuchen es abzuwählen, zusammen mit der Wahl eines Schiedsorts im Ausland.

Zusammenfassung

Der Regierungsentwurf enthält einige sinnvolle punktuelle Regelungen zur Verbesserung des deutschen Schiedsverfahrensrechts in der Praxis. Von der kompletten Formfreiheit für Schiedsvereinbarungen sollten die Parteien nicht unbedingt Gebrauch machen; Erklärungen zumindest in Textform bleiben sinnvoll. Zu begrüßen sind dagegen vor allem die bessere Vollziehbarkeit von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, die Klarstellung zu Videoverhandlungen, die Zulassung von Sondervoten sowie die Gerichtsverfahren auf Englisch.

Diese Regelungen betreffen allerdings nur einige Detailfragen, die nicht unbedingt entscheidend sind bei der Wahl eines Schiedsorts für internationale Parteien. Wenn der Gesetzgeber den Schiedsstandort Deutschland erheblich stärken möchte, sollte er nur eine gerichtliche Instanz zur Überprüfung von Schiedssprüchen vorsehen und vor allem das AGB-Recht im Business-to-Business-Bereich praxistauglicher gestalten.

Es bleibt abzuwarten, wie der Bundestag den Gesetzentwurf noch umgestaltet. Üblicherweise erfolgt zu derartigen Vorhaben eine Expertenanhörung im Rechtsausschuss.  

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